Seit der Antike wurden, insbesondere von Vordenker*innen der Medizin, Utopien entwickelt, welche die Verbesserung sowohl der körperlichen als auch der geistigen Verfassung künftiger Generationen und Gesellschaften versprachen. Entgegen den allgemeinen Verlautbarungen dieser Ideen, sie hätten dabei stets das Wohl der Gemeinschaft insgesamt im Sinne, verfolgten sie meist ein anderes Ziel: Vielmehr ging es um Elitenbildung und den Ausschluss derjenigen, die man für degeneriert und damit für nicht teilnahmewürdig an der jeweils entwickelten Utopie hielt. Mit der Festigung biologistischer Ideologien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten derlei Ideen eine vermeintlich naturwissenschaftlich gesicherte Grundlage – allen voran mit der Eugenik, wonach Menschen in fortpflanzungswürdig und -unwürdig bzw. in radikalerer Form in lebenswert und lebensunwert eingeteilt wurden.
Im nationalsozialistischen Deutschland und in den von NS-Deutschland besetzten Gebieten führte eine solche Ideologie zur systematischen Ermordung von rund 300 000 Menschen mit Behinderung und psychisch kranken Menschen. Nach aktuellem Kenntnisstand wurden außerdem mindestens 400 000 Menschen zwangssterilisiert. Doch auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die Ideologie der Eugenik in verschiedenen Staaten weiterhin ein Teil biopolitischer Maßnahmen. In der Tschechischen Republik wurden noch im Jahr 2007 Fälle von Zwangssterilisationen an Romnja bekannt. Auch die deutsche Geschichte ist bis heute von weiterer Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung tatsächlich oder vermeintlich psychisch kranker Menschen und von Menschen mit Behinderung geprägt.
Durch das Erstarken völkischer Gruppierungen und Parteien wie der AfD ist ganz aktuell eine zunehmende Gesellschaftsfähigkeit von solchen menschenfeindlichen Ideologien und damit einhergehend eine Renaissance biologistischer Weltanschauungsmuster zu beobachten.
Wir, das Gesundheitskollektiv Dresden und die Gruppe gegen Antiromaismus, möchten deswegen über verschiedene Verbrechenskomplexe, die im Namen der Medizin im 20. Jahrhundert begangen wurden, aufklären und die ursächlichen Mechanismen dieser Taten betrachten.

Veranstaltungen:

1. Zwangssterilisationen und »Euthanasie« – Verbrechen im Nationalsozialismus

2. Vortrag von Elena Gorolová und Gwendolyn Albert (CZ)

 Die Menschenrechtsaktivistinnen Elena Gorolová und Gwendolyn Albert werden uns etwas über ihre Erfahrungen mit und ihren Kampf gegen Zwangssterilisationen in der Tschechischen Republik erzählen. Beide engagieren sich seit Jahren für die Rechte von Rom*nja, Elena Gorolová wurde im letzten Jahr von der BBC zu einer der 100 inspirierendsten Frauen gewählt. Kommt vorbei, es wird spannend!“
Der Vortrag ist Teil der Veranstaltungsreihe „verfolgt – verstoßen – vernichtet. Verbrechen im Namen der Medizin im 20. Jahrhundert“ präsentiert vom Gesundheitskollektiv Dresden und der Gruppe Gegen Antiromaismus

3. Die Diagnose asozial – Verbrechen der Sozial- und Jugendvorsorge

Am 22.11. luden wir euch in den Zeuner Bau auf dem TU Campus ein, um weitere Absurditäten im Bereich der Verbrechen des 20. Jahrhunderts kennenzulernen. Die eugenische Politik des Nationalsozialismus sah eine umfassende rassenhygienische Sichtung derjenigen vor, die als klassische soziale Randgruppen galten. Dieses Ziel gehörte von Anfang an zur nationalsozialistischen Zielstellung. Vor allem Minderjährige und Erwachsene, die von der Sozial- und Jugendfürsorge betreut wurden, gerieten ins Visier. Eng kooperierten FürsorgerInnen und MedizinerInnen. Gemeinsam entwickelten sie „Diagnosen“, die deviante Verhaltensweisen pathologisierten und die Personen als erbbiologisch „asozial“ klassifizierten. Die Folgen waren: Zwangsasylierung und -sterilisationen sowie schlussendlich ihre Ermordung. Wie konstruierten psychiatrische Gutachten diesen Vorwurf der „Asozialität“? Welche Rolle nahm dabei beispielsweise die Neurologin und Psychoanalytikerin Dr. Marie Kalau vom Hofe ein? Worauf zielte zum Beispiel die Musterbegutachtung einer ganzen Arbeitsanstalt verfolgt verstoßen vernichtet

4. „… dass das heute noch immer so ist – Kontinuitäten der Ausgrenzung“ – Film & Publikumsgespräch mit dem Filmemacher Justin Time

Bei „Kontinuitäten der Ausgrenzung“ handelt es sich um einen Dokumentarfilm, der am Beispiel von Maria Potrzeba exemplarisch die Geschichte der Verfolgung und Stigmatisierung von sogenannten Asozialen im Nationalsozialismus zeigt. In wie weit Maria immernoch darunter leidet, wie das damals alles funktioniert hat und ob und wie das heute so ist, erfahren wir im Film. Anschließend wird der Filmemacher Justin Time Rede und Antwort stehen, um auf eure Fragen einzugehen.